Neue Bilder von Aaron Rahe

Von Tom Bullmann im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 16.5.2011

Work in progress: Noch vor zwei Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Aaron Rahe ein Bild malt, auf dem ausschließlich eine Figur in einem Rollstuhl von einem ansonsten leeren Raum Besitz ergreift. Vielleicht ist es eine gewisse Klarheit, die auf gestische Opulenz folgt und daher der Ausstellung in der Galerie schwarz | weiss den Titel "Vakuum" bescherte.

 

Das Bild "Selbstportrait als eine Dose Kieler Sprotten" steht exemplarisch für die künstlerische Neuorientierung Aaron Rahes. Das Bild ist zweigeteilt. Einerseits findet man auf der linken Seite eine qualvolle Enge, in der sich gruselige Monster mit Flamingobeinen tummeln. Damit erinnert der Osnabrücker an die primatenartigen Gestalten, die in seiner Malerei bisher allerlei zynische Kommentare über Gott und die Welt abgaben. Auf der rechten Bildseite herrscht dagegen demonstrative Leere. Der Befreiungsschlag des Künstlers, der in seinen Werken oft inhaltlich übersprudelte. Außerdem bringt der Kunststudent mit seinem Titel Autobiografisches ins Spiel, denn seit 2010 studiert er an der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel.

Aber was ist aus den kritischen, bisweilen bösen Statements geworden, die Rahe mit seinen Bildern abgab? Man findet sie noch in Arbeiten wie "Lammkalbmann" oder "Selbstportrait als Heidi Klumpen". Seine Kollegen aus der Kunstszene nimmt er mit einem "Selbstportrait mit affektiertem Künstlerschal" auf die Schippe.

Doch der Großteil der aktuellen Werke kommt subtiler daher. Dann fällt der Blick des Besuchers auf das Bild "In Würde altern". Die Gestalt im Rollstuhl macht einen verlassenen, isolierten Eindruck. "Durchaus möglich", sagt der Künstler, "dennoch ist das Bild ein Symbol für die immensen Möglichkeiten, die uns die neuen Technologien bieten. Gerade für ältere Menschen öffnen die elektronischen Medien den Zugang zu unendlicher Kommunikation."

Womit wir bei dem Internet-Phänomen "Forever Alone" wären, das eine dem weltweiten Netz innewohnende Diskrepanz thematisiert: Ist man wirklich allein, wenn man sich beispielsweise per sozialen Netzwerken mit Hunderten Menschen austauscht?

Nicht umsonst wurde das millionenfach zitierte, bearbeitete und verfremdete Comic-Gesicht, das ein wenig an eine vermenschlichte Kartoffel erinnert, unter dem Motto "Forever Alone" geradezu zur Ikone der Generation Facebook. Aaron Rahe präsentiert seine künstlerische Version des Kritzel-Gesichts in dem Bild "Selbstportrait als van Gogh (Forever Alone)" und liefert so eine Verbindung zwischen etabliertem Kunstbetrieb und dem Netz, in dem jedermann zum "Kunststar" werden kann, auch wenn es nur für 15 Minuten ist.

"Arroganzkörperspiegel" nennt Rahe seine Ausstellung im Untertitel, um darauf zu verweisen, dass mindestens die Hälfte der Exponate Selbstportraits sind. Oder zumindest das, was er als Selbstportrait definiert. Denn sein eigenes Antlitz ist selten in diesen "Portraits" zu finden, weil es ihm nicht um das Absondern egozentrischer Statements geht, sondern um seine künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt, in der er lebt.

 

GALERIE schwarz | weiss (Redlingerstr. 4): "Vakuum". Malerei von Aaron Rahe. Bis 20. Juni, Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–14 Uhr, Infos im Internet: unter www.galerie-schwarz-weiss.de

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