Zeige mir deine Eckzähne!

"Walking the Dog": Osnabrück bietet (fast) alles auf, was Kunst zum Thema "Hund" zu bieten hat

Von Dr. Stefan Lüddemann im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 13.10.2010

 

Osnabrück. Osnabrück lässt den Hund von der Leine – und wie. Die Kunsthalle zeigt, was Künstlern zum Thema Hund alles einfällt. Und das ist erschreckend viel. Neben Malerei gibt es Objekte. Glas, Keramik, Echthaar: Mit diesem wilden Materialmix präsentiert sich das Projekt als aparte Promenadenmischung unter den Kunstausstellungen.

 

Deborah Sengl steckt den Wolf in den Schafspelz und lässt ihr seltsames Mischwesen die scharfen Eckzähne so richtig Furcht einflößend fletschen. Dieses Objekt mit echtem Flauschpelz könnte zum Erkennungszeichen der ganzen Schau taugen, wenn denn ein anderes Exponat an der Wand bleiben würde. In der Apsis des Kirchenschiffs gibt es eine Hundefigur aus poröser Keramik zu sehen, die Carolein Smit als Gekreuzigten geformt hat. Vor zwei Jahren sorgte ein gekreuzigter Frosch von Martin Kippenberger in der Kunsthalle Bozen für einen Eklat, der so heftig aufschäumte, dass er die Kuratorin den Job kostete. Auch wenn Kippenbergers Objekt – er zeigte den Frosch mit Bierseidel und heraushängender Zunge – um einige Grade respektloser ausfällt als Smits brave Hundenachformung – an diesem Exponat wird sich wohl entscheiden, ob wir die Osnabrücker Ausstellung, bildlich gesprochen, eher zu den Beißern als zu den Kläffern zu rechnen haben. Einstweilen ist nicht klar, ob Kunsthallen-Chef André Lindhorst das kontroverse Kunstwerk an der Wand lassen wird. "Die Ausstellung hängt nicht daran", sagte er gestern beim Presserundgang.

 

Als Schlusspunkt der Veranstaltungsserie "Der Hund ist auch nur ein Mensch" präsentiert die Kunsthalle rund 100 Exponate von 25 Künstlerinnen und Künstlern. Ein Jahr lang hatten Osnabrücker Kultureinrichtungen Kulturprojekte rund um das Thema Hund angeboten. Nun gibt die zeitgenössische Kunst ihren Kommentar. Das Resultat fällt zwiespältig aus. Neben qualitätvollen Werken von Kunststars wie Cornelia Schleime oder Rainer Fetting gibt es manch zweifelhaftes Exponat. Ein Vorwurf darf der Ausstellung hingegen nicht gemacht werden: Der treue Vierbeiner wird nicht über Gebühr verniedlicht. Wie das Thema konsequent gegen den Strich zu bürsten ist, führt gleich Patricia Waller mit ihren nur auf den ersten Blick harmlosen Strickobjekten vor. Sie zeigt den Schoßhund, der erschlagen unter einem überdimensionalen Knochen liegt. Oder den Schmuseterrier, dem ein Pfeil in der niedlichen Stirn steckt. Marta Klonowska formt ihre Hundeobjekte aus splittrigen Glasscherben, Maria Smits zieht den Vierbeinern gleich ganz das kuschelige Fell über die spitzen Ohren. Ihre Hundeobjekte zeigen nackte Ekelkörper in der Apportierpose. Ganz schön gruselig.

 

Zum Glück darf sich der Besucher ein paar Schritte weiter bei gediegener Malerei von solch provozierenden Exponaten erholen. Rainer Fetting malt Hund und Zwergin als Bildzitat aus Velàzquez’ "Las Meninas" in wandfüllendem Format, Cornelia Schleime zeigt den Jagdhund mit Wild im Maul in satter Malerei. Doch was zeigen solche Bilder – außer der Tatsache, dass eben auch diese Künstler Hunde gemalt haben?

 

Diese Unentschiedenheit ist allerdings nicht das eigentliche Manko des Projekts. Zum wirklichen Problem avancieren Bilder, die doch ins Niedliche kippen, Materialien, die nicht wirklich für Kunstwerke taugen. Was sagt uns eine Ente mit Hundemaske – aus quietschbunt lackiertem Lindenholz? Was halten wir von Hundeköpfen, die in scheußlich geschmacklosen Blumenvasen stecken – die auch noch im Dutzend auf akkurat geweißte Podeste gestellt werden? Die Hunde-Schau strandet zuweilen in einem allzu vordergründigen Naturalismus, verfängt sich in ziemlich aufgesetzten Bildbotschaften.

 

Die Präsentation ist hingegen nicht so vollgestellt, wie es Themenausstellungen an diesem Ort schon einmal waren. In Kirchenschiff und Nebenräumen wirken die Exponate nun dennoch wie bloße Belegstellen einer Themenvorgabe. Ein roter Faden? Neue Einsichten? Dies gibt es nicht im Übermaß. Der Besucher darf auch einfach so Freude an einem Sujet haben, das eine Besuchergruppe aller Voraussicht nach hingegen nachhaltig irritieren wird: Katzenliebhaber.

 

Osnabrück, Kunsthalle Dominikanerkirche: Walking the Dog. Der Hund im Fokus der Gegenwartskunst. Eröffnung: morgen, 18 Uhr. Bis 8. Dezember. Di.–Fr., 11–18 Uhr, Sa., So., 10–18 Uhr. Katalog 24,50 Euro.

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