Einführung zur Ausstellung in der Oldenburgischen Landesbank

Sebastian Osterhaus in der Zentrale der Oldenburgischen Landesbank

Rede der Kunsthistorikerin und Kuratorin Marianne Janssen am 16. Februar 2011

Mit Sebastian Osterhaus stellt die OLB einen Künstler aus, der mit seinen Arbeiten provoziert und polarisiert, der anscheinend ganz bewusst keine schönen Bilder – im herkömmlichen  Sinne – malt, sondern inhaltlich und formal eher auf Konfrontation setzt. Dass der Betrachter dabei in höchstem Maße gefordert ist, liegt auf der Hand. Die Ausstellung, die wir heute hier eröffnen, wirkt wie ein aufgeschlagenes Bilderbuch, bei dem der Besucher sich an jeder Szene = jedem Bild neu einsehen muss, wenn er die Bildsprache verstehen will. Denn Sebastian Osterhaus ist ein innovativer Maler und ein ungewöhnlicher Geschichtenerzähler. Nichts von dem, was man in den Gemälden und Zeichnungen sieht, ist einem so schon mal begegnet. Da erscheinen Menschen als Tiere und Tiere als Menschen, die merkwürdige Dinge tun und sich in alptraumartigen Szenarien bewegen. Es ist die Kombination von Personen und Tätigkeiten, die nicht zusammengehören und die deshalb erst einmal irritieren. Wir kennen solche Bilder von Neo Rauch, der deshalb in der Kunstwelt vielgeliebt und viel gescholten ist. Denn alles das, was wir nicht verstehen, stößt bekannterweise auf Ablehnung und macht Angst. Auch in einigen Bildern von Franz Radziwill – vornehmlich die aus den 50-er Jahren, z. Zt. übrigens in einer wunderbaren Ausstellung in Emden zu sehen – ist das Nebeneinander nicht zueinander passender Landschaften und Objekte Programm.

 

Osterhaus verunsichert den Betrachter, wenn er beispielsweise vor undefinierbare Räume und Landschaften konkrete Figuren setzt, die ihrerseits wiederum mal erschreckend direkt, mal schemenhaft angedeutet sind. Die Gleichzeitigkeit von Verschwommenem und  Klarem, von Abstraktem und Realem, kombiniert mit zeichenhaften Kritzeleien erscheint wie ein unverständliches Traumsegment.  Neben rätselhaften Bildinhalten sind es die verschiedenen Techniken, mit denen  der Künstler ungewöhnliche Eindrücke erzielt. Er hat keine Scheu, in den Ölgemälden auch das klassische Druckverfahren des Siebdrucks einzusetzen oder die Ölgemälde mit Eddingzeichnungen aufzumischen. Er sagt selbst, dass ihm eine Kunst wichtig ist, die technisch gesehen zwar klassisch anmutet und handwerklich gekonnt inszeniert ist, die aber innovativ zu sein hat und spielerisch keine Grenzen kennt. In der Tat fällt auf, dass in den Bildern Stilvermengungen an der Tagesordnung sind.

 

Vor allem in den Ölgemälden lotet der Künstler das thematische und technische Spektrum voll aus, wenn er beispielsweise dominante realistische Figuren vor einen unterschiedlich abstrakt verlaufenden Hintergrund setzt. Ich möchte dazu zwei im vergangenen Jahr entstandene Bilder (in der 5. Etage zu sehen) vorstellen, die besonders vielschichtig sind. Die großformatige Arbeit "Die Unbekümmertheit im Aufbruch", das Sie von der Einladungskarte her kennen, zeigt im Zentrum des Bildes zwei männliche Figuren mit Tierköpfen, der eine mit einem Pferdekopf,  oder ist es ein Eselskopf?, der andere mit dem Kopf eines Hahnes - ein Gockel also.  Beide haben ihre Aufmerksamkeit auf am Wegesrand stehende Straßenschilder gelenkt, auf denen allerdings nur Streifen zu sehen sind.  Zu den Füßen der Beiden wuseln verschiedene Tiere oder Mischwesen, die keiner bestimmten Tierart zuzuordnen sind. Neben einem Mauerfragment scheint im Hintergrund eine Feuersbrunst ausgebrochen zu sein, der Himmel ist rot-orange verfärbt. Man könnte jetzt zur Interpretation übergehen, zum Beispiel so: Zwei Männer, ihres Zeichens ein Esel und ein Gockel suchen verzweifelt einen Ausweg aus ihrem Dilemma, während hinter Ihnen die Welt in Flammen steht. Sehr aktuell das Ganze, finden Sie nicht auch? Ich werde mich allerdings hüten, jetzt solche Überlegungen weiter zu führen, das überlasse ich Ihnen später beim Anschauen des Bildes.

 

Ein ähnlich bühnenartiges Szenario zeigt das Bild mit dem bemerkenswerten Titel "Die Unbekümmertheit in der Betrachtung des Alrauneschweins". Auch hier wieder im Geschehen rechts und links zwei Männer, die sich auf ein merkwürdiges kleines Wesen mit einem Schweinegesicht in der Mitte des Bildes konzentrieren. Nein, auch hier werde ich nichts zu enträtseln versuchen. Nur so viel sei gesagt: Eine Alraune ist ein  Nachtschattengewächs mit magischer Wirkung. Die Zauberin Circe (aus der Odysseus-Sage) soll aus einem Alraunen-Zaubertrank Männer in Schweine verwandelt haben und in der Esoterik wird der Alraunenwurzel bis heute Geld, Glück und Reichtum zugeschrieben. Bei der Auflösung des Bildes können Sie Ihrer Fantasie jetzt freien Lauf lassen, und falls das Ganze zu schwierig wird, fragen Sie einfach den Künstler. Oder halten Sie es mit André Lindhorst, den Leiter der Dominikanerkirche in Osnabrück, der nichts vom Enträtseln dieser Bilder hält, denn schließlich sei Kunst kein Kreuzworträtsel, so Lindhorst. Womit er natürlich Recht hat.

 

Der Künstler selbst will mit seinen Bildern Denkanstöße geben und Freiraum für Interpretationen aufzeigen. Dazu bedient er sich aus dem reichen Fundus der Kunstgeschichte, der Literatur, der Mythen und aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Interessant erscheint mir dabei, dass die Tiere in diesen und anderen Bildern nichts mit den üblichen Tieren der Kunstgeschichte zu tun haben. Die Protagonisten der Bilder sind Menschen, die als Schweine, Hühner, Motten, Esel oder Vögel daherkommen. Wer sich auf das komplexe Angebot der Tier-Mensch-Darstellungen des Malers einlässt, kann durchaus seine Freude an ihrer Enträtselung haben. Es sei ihm wichtig, Charaktere darzustellen, sagt Sebastian Osterhaus und es mache ihm einfach Freude, das Animalische im Menschen zu entdecken.

 

Der Vergleich von menschlichem und tierischem Verhalten und die Darstellung ihrer charakteristischen Merkmale ist so alt wie die Kunst selbst. Seit der Steinzeit finden wir auf Felszeichnungen Mischwesen – Chimären genannt - aus Mensch und Tier.  Die berühmteste Darstellung ist der so genannte "Löwenmensch" aus der Nähe von Ulm,  eine kleine Statuette die etwa vor 34.000 Jahren entstanden sein dürfte. Immer handelt es sich bei den frühen Darstellungen um Menschen mit Tierköpfen, nie umgekehrt, was Wissenschaftler zu der Annahme verleitet, dass sich Schamanen mittels Trance in Tiere zu verwandeln versuchten, um mit der jenseitigen Welt Kontakt aufzunehmen.  Mischwesen in Trance hat Sebastian Osterhaus  auf drei Bildern mit dem Titel "Tanz" dargestellt, die Sie auf dieser Etage sehen können. Eines der Bilder, der "Tanz-Schwan" ist außerdem abgebildet als Titelbild auf der Einladungskarte.

 

Eher satirisch wirkt das Bild "Ochsenadel", wo im Zentrum ein Mann mit Ochsenkopf in roter Uniform wie auf einem Thron zu residieren scheint. Ein einäugiges Ochsenkind sucht die Nähe des Ochsenmannes, wogegen eine junge Frau daneben das Geschehen belustigt betrachtet. Wie auf diesem Bild, so sind es fast immer die Männer, die – banal formuliert - schlecht wegkommen,  da der Künstler sie symbolisch in Rollen schlüpfen lässt, die sie lächerlich wirken lassen. Anders als bei den historischen Mischwesen-Darstellungen der Ägypter, Griechen oder Römer, bei denen meist eine Überhöhung der Personen ins Gottähnliche angestrebt war, erscheinen die Mischwesen des Sebastian Osterhaus  als Karikatur ihrer Selbst, die ihre Eitelkeiten, heimlichen Wünsche und Unzulänglichkeiten hinter Tier-Masken zu verbergen suchen. Auch auf dem Bild "Das große Fressen" sind drei mit tierischen Attributen versehene Gestalten in Aktion. Man kann hier vermuten, dass sich der Mann mit dem Eulengesicht an Hasenmann und Mausefrau heranmacht, um sie zu vertilgen. Der Titel weckt natürlich Assoziationen zum gleichnamigen Film aus den 70-Jahren, bei dem sich eine kleine Gruppe exaltierter Menschen aus Überdruss zu Tode frisst.  Die in den Bildern des Sebastian Osterhaus immer wieder aufblitzende Gesellschaftskritik scheint eher sekundär. Mehr als das ist es seine Lust am Spiel, am Rollentausch, an menschlichen Maskeraden, an theatralischen Auftritten und sein Vergnügen an verschachtelten Geschichten.  Er scheut sich dabei nicht, Inkunabeln der Kunstgeschichte, wie zum Beispiel die berühmte Büste der Kleopatra ironisch umzudeuten, indem er einem bildausfüllenden, dicken Schwein die Kopfbedeckung der Kleopatra verpasst und das Bild dann "Schönheitsideale" nennt.

 

Ohne eine solide Grundausbildung wären diese, auf verschiedenen Ebenen angesiedelten Bilder nicht möglich. Nach einem Kunst- und Kunstgeschichtstudium in Osnabrück (mit Magisterabschluss) ist der Künstler seit drei Jahren in der Fachklasse von Professor Peter Bömmels in Dresden tätig. Bereits nach einem Jahr Ausbildung wurde er sein Assistent. "Diplom für Bildende Kunst" ist die offizielle Abschlussbezeichnung seiner Ausbildung in Dresden im kommenden Jahr, die dann insgesamt 4 Jahre dauerte. Professor Bömmels sei nicht nur ein hervorragender Lehrer, er hinterfrage auch ständig Bildinhalte, was er, Osterhaus, sehr schätze. Ein wenig, aber wirklich nur sehr wenig schwappe auch von der so genannten "Leipziger Schule" herüber, wobei die Hochschulen in Leipzig und Dresden in Konkurrenz zueinander stehen würden. Immerhin sei die handwerkliche Ausbildung der Kunsthochschulen in beiden Städten wesentlich besser als beispielsweise in Düsseldorf, urteilt er und sei deshalb froh, in Dresden gelandet zu sein, wo ihm ein großes Feld  an Möglichkeiten offen stehe.

 

Zu einer guten Ausbildung gehört auch das Zeichnen. Wenn man die Malerei von Sebastian Osterhaus als frech, provokant und kritisch beschreibt, dann sind diese Attribute für seine Zeichnungen erst recht zutreffend. Über diese Zeichnungen habe ich gelesen, dass sie in ihrer Direktheit etwas von Kinderzeichnungen hätten. Direkt und radikal sind diese Zeichnungen tatsächlich.  In ihnen offenbart sich vielleicht die stärkste Seite des Sebastian Osterhaus.  Was die Unbekümmtertheit und  Unvoreingenommenheit bei der Herangehensweise betrifft, da habe er sich auch von seinem inzwischen 7-jährigen Sohn inspirieren lassen, erzählte er mir. In der fünften Etage präsentieren wir eine große Anzahl von meist farbigen Handzeichnungen, in denen der Geschichtenerzähler Osterhaus in seinem Element ist. Fantasievoll, witzig und ironisch sind diese Arbeiten, auf denen er menschliche Verhaltensweisen und Vergnügungen mal skizzenhaft, mal detailliert beschreibt.

 

Und wie könnte es anders sein, dieser Mann arbeitet natürlich auch mit der Fotografie. Wir zeigen hier eine Reihe sehr interessanter kleiner Foto-Arbeiten, Negativ-Collagen, bei denen Überlagerungen von Bildebenen das zentrale Gestaltungsmittel sind.

 

Ich freue mich sehr, dass wir die Arbeiten des experimentierfreudigen, mutigen jungen Osnabrücker Künstlers in der OLB zeigen können. Wenn Sie sich einlassen auf seine Bilder, dann erhaschen Sie einen Blick auf die Welt als absurdes Theater, wie dieser Blick so nur in der Kunst oder auf der Bühne möglich ist. Ich wünsche Ihnen viel Freude an der Ausstellung.

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