Ungehemmter Wille zum Ausdruck

Sarkastische Statements: Arbeiten von Aaron Rahe in der Villa Stahmer

Von Tom Bullmann im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 28.9.2010

Sarkastisch sind viele der künstlerischen Statements, die Aaron Rahe zurzeit im Museum Villa Stahmer in Georgsmarienhütte zeigt. Die Acryl- und Ölarbeiten sowie Objekte werden dort in Kooperation mit der Arte Regionale 5 präsentiert.

 

"Bitte berühren" steht handschriftlich auf einem Zettel neben einem Objekt geschrieben, das wie ein Gebetbuch aussieht. Ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Ausstellungen, in denen das Anfassen der Kunstwerke streng untersagt ist, fordert der Künstler hier zur haptischen Annäherung auf.

Aber konventionell ist die Kunst des Aaron Rahe eh nicht. Die expressive Maltechnik, mit der er seine grotesken Gestalten auf die Leinwand bannt, entbehrt jeglicher Regel. Da findet man diverse primatenhafte Gestalten, deren Oberkörper, mit Jackett, Krawatte und Kragen bekleidet, einer bestimmten Gesellschaftsschicht zugeordnet werden, während sie "unten ohne" dastehen. In doppelter Ausführung liegen solche Wesen auf einem Tisch und symbolisieren das, was der Künstler "Miteingegen" nennt.

Auch keine Harmonie vermittelt das Werk "Die Feigheit führt das Volk an (Balkonien im Kriegszustand)". Da salutiert ein fratzenhafter Soldat mit Stahlhelm vor einem Gehenkten, der von oben herabhängt. Würde es sich bei Rahe nicht um einen jungen Künstler handeln, könnte man meinen, er verarbeite Geschehnisse aus vergangenen Weltkriegen. Doch offenbar gibt es auch heute genügend Kriegsherde, die zeitgenössische Künstler animieren.

Kommen wir zu "Gottes Lob" zurück. Es lohnt sich, das Gebetbuch zu durchblättern, das Rahe zum Teil als Skizzenbuch benutzte, indem er ganze Seiten mit seinen Männchen und Monstern bemalte. Auf das "Geheimnis des Glaubens" klebte er mit Klebestreifen kurzerhand einzelne Streichhölzer auf und kritzelte mit einem Stift die Bemerkung "Pfingstbeschleuniger" auf die Seite. An anderen Stellen findet man Kondome, Pillen und Fotos von Fleischwölfen oder einen Badge vom letzten Papstbesuch eingeklebt: "Wir sind Papst" prangt als Zitat einer bekannten Boulevardzeitung auf der Ansteckbrosche. So geraten die Verfremdungen des Gebetbuches zu zynischen Kommentaren.

Auch in seinen Bildern scheint immer wieder Kritik an der Kirche als Institution durch: Die Kirchenspaltung wird personifiziert und hockt als elende Kreatur "am Fuße des Bildes", das Goldene Kalb betrachtend. Rahes "Selbstporträt als Feindbild" lässt die Frage aufkommen, ob die behäbige Gestalt im Bild ein monströser Heiligenschein ziert oder ob sie einen goldenen Turban trägt.

Apokalyptische Visionen mit dem Titel "Weltkopfstand", skurrile "Verkündigungsengel" und lustige "Flügelmänner" zeugen von einem ungehemmten Willen zum Ausdruck – als wolle Aaron Rahe alle Fragen, die er an die Gesellschaften dieser Erde zu stellen gedenkt, in seine Bilder legen. Bei der Wahl der Maluntergründe ist er sehr variabel: Seine "Verzweifelten" und "Zweifellosen" malt er auf ausgediente Tortenplatten aus Kunststoff und eine kauernde "Pechmarie" auf eine alte Radkappe.

 

Museum Villa Stahmer, GMHütte: Bilder und Objekte von Aaron Rahe. Bis 3. Okt., Do. 9–12 Uhr und 15–18 Uhr, So. 10–13 und 15–18 Uhr.

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