Von grotesken Fantasiewesen und bizarren Farbwelten

Kunstwissenschaftlerin Josephine Brückner zu Sebastian Osterhaus

In den Malereien von Sebastian Osterhaus, der 1981 in Ibbenbüren (NRW) geboren wurde und derzeit an der Kunstakademie in Dresden studiert, treffen scheinbar komplementäre Ansätze aufeinander. So oszillieren seine Arbeiten zum einen zwischen einem Fotorealismus, der sich in seiner Unschärfe an Werke von Gerhard Richter anlehnt und einer scheinbaren Zufälligkeit, die besonders in den frei gestalteten Farbflächen zum Ausdruck kommt. Zum anderen werden seine großformatigen Ölgemälde von kleinen grotesken Gestalten belebt, die sich im ganzen Bildraum finden lassen und die oft mit den realistisch dargestellten Figuren eine Symbiose der besonderen Art eingehen. Diese Fantasiewesen, die während des Malprozesses mit Edding in die Arbeiten eingezeichnet werden, erinnern an Werke der Street-Art. Als würden diese kleinen Wesen sich den Bildraum zu Eigen machen, ihn durchdringen und somit die Malereien von Sebastian Osterhaus wie kleine Parasiten bevölkern und beleben. In seinem Bild "Voraussicht" aus dem Jahr 2009 ist das besonders deutlich zu erkennen.


Aber seine Bildwelten enthalten auch innerhalb seiner naturalistischen Darstellungen spannende Kontraste. Denn hier trifft der Betrachter auf realistisch gemalte Kreaturen in surrealistischen Szenerien, die einem in ähnlicher Form auch bei Neo Rauch begegnen könnten. Beispielhaft dafür ist das Gemälde "Weckdienst" von 2009, denn dort ist ein realistisch gemalter Junge zu erkennen, der aber teilweise transparent ist und somit den Blick auf eine andere Figur im Hintergrund offen lässt. Mit seiner linken Hand berührt dieser Junge eine tote Kuh, die zwar ebenfalls naturalistisch dargestellt ist, aber perspektivisch verzerrt wurde.


Diese detailgetreuen und realistischen Figuren im Mittelpunkt der Werke stehen oft in einem diffusen Verhältnis zu den abstrakten und zum Teil flächigen Hintergründen, die sich durch einen deutlichen Pinselduktus und durch gelungene Farbverläufe auszeichnen. In seinen Gemälden, die insgesamt einen sehr malerischen Stil aufweisen, finden sich aber trotzdem auch Elemente, insbesondere die grotesken Wesen, die an den Gebrauch von Spraydosen erinnern. In seinen Bildern werden die Grenzen von Zeit und Raum überschritten und die einzelnen Ebenen kreuzen sich so, dass die Geschichten ineinander fließen und dabei ein vollkommenes Ganzes bilden. Diese Überschneidungen führen den Betrachter in keine bestimmte Richtung der Interpretation, sondern es ist ihm selbst überlassen, anhand des Gesehenen eigene Geschichten zu kreieren.


Motivisch beschränkt sich Sebastian Osterhaus nicht nur auf Menschen, kleinen Fantasiewesen und Landschaftselemente, sondern auch Tiere werden ausgesprochen stark in das Bildgeschehen einbezogen. Die Kompositionen sind wohl durchdacht und im Gegensatz zu Rauchs poppiger Farbwahl sind die Malereien von Sebastian Osterhaus von düsteren, aber kräftigen Farben durchdrungen.

 

In den Zeichnungen hingegen ist die Farbigkeit eine andere. Allein der weiße Hintergrund lässt die verwendeten Farben klar und leuchtend erscheinen. Der Gebrauch von Buntstiften und Edding ist deutlich erkennbar und hebt die Skizzenhaftigkeit der Zeichnung hervor. Einzelne Stellen erinnern an Kinderwerke. Diese stehen aber wiederum in einer starken Divergenz zu den realistisch gezeichneten Figuren und eröffnen somit ein spannungsreiches Feld. Die Verwobenheit der einzelnen Bildelemente, die Farbwahl und der zeichnerische Aspekt evozieren eine Leichtigkeit und Spontaneität, die sich von der Ernsthaftigkeit der Malereien von Sebastian Osterhaus unterscheidet. Zwar ist auch in seinen Ölgemälden eine gewisse Leichtigkeit existent, welche durch die eingefügten zeichnerischen Elemente und die nicht immer bis ins Detail ausgeführten Partien entsteht. Jedoch nimmt sie im Gegensatz zu der Zeichnung eine weniger bedeutsame Rolle ein.

 

Sebastian Osterhaus beschäftigt sich nicht nur mit Malerei und Zeichnung. Ein weiterer Aspekt seines künstlerischen Schaffens ist die Fotografie. In seinen meist seriellen Arbeiten mischen sich verschiedene Gesichtspunkte, die teilweise auch in den Malereien und Zeichnungen thematisiert werden. Er nutzt die Technik der Fotografie in Verbindung zur Negativcollage, um auch hier diffuse und ineinander verzahnte Bildebenen zu vereinen. In Fotografien wie "Schöner Schmerz" von 2007 spielt die Unschärfe eine Rolle, die auch bei den in fotorealistischer Manier gemalten Figuren in seinen Malereien auftaucht. Seine Aufnahmen von baufälligen und verlassenen Orten rücken manchmal die Eingriffe der Street Art Künstler in den Bildvordergrund, die sich, so wie die kleinen Wesen in den Malereien und Zeichnungen von Sebastian Osterhaus, die Umgebung aneignen und sie lebendig machen.

 

Es scheint als würden letztlich alle drei Ausdrucksformen um die gleichen Schwer- und Kontrastpunkte kreisen. Aspekte wie Realismus im Kontrast zur Fiktion und Abstraktion und die Exaktheit in der Darstellung gegenüber der zufallsgesteuerten Verwendung der Materialien scheinen sich gegenseitig zu thematisieren. Sebastian Osterhaus gelingt es aber, diese Themen in jeder Darstellungsweise differenziert und dem Material angepasst zu verarbeiten und somit ermöglicht der Künstler dem Betrachter immer wieder neue Einblicke und Reisen in seine fantasievollen Bildwelten.

 

Josephine Brückner, Kunstwissenschaftlerin, April 2009

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