Er liebt die Rechtecke

Von Tom Bullmann im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 11.2.2011

GALERIE schwarz | weiss: Malerei von Jörg Kujawa

 

Es ist, als bewegten sich Personen durch die Bilder von Sean Scully. Die vielfach geschichteten horizontalen und vertikalen Farbbahnen, die so charakteristisch für die Malweise des irischen Künstlers sind, bilden in der Malerei von Jörg Kujawa quasi die Kulisse, in der sich singuläre Figuren bewegen: Eine Frau richtet im Gehen vor einer solchen Schichtfassede ihre Haare, ein junger Mann trägt auf einem Bürgersteig einen bespannten Bilderrahmen durch die imaginäre Stadt.
"Ich liebe Rechtecke", erklärt Kujawa, der in Osnabrück Kunst studierte und jetzt als Kunsterzieher in Borgholzhausen tätig ist. Während er sich früher eher Themen wie urbaner Architektur widmete, hat er mittlerweile den Menschen entdeckt, der seine irrealen Fassaden humanisiert.
Denn auch wenn Kujawa bisweilen "echte" Wände und Hausansichten malt, von denen er bei Reisen nach Italien und In die USA inspiriert wurde, so sind es doch überwiegend die strukturierten Farblöcke, die in seinen Bildern die Kulisse für den vorbeihuschenden Menschen bilden. Um den geradezu zweidimensionalen, frontalen Ansichten das Abstrakte zu nehmen, integriert der Künstler hier und da einer amerikanischen Hydranten, eine Fluchtleiter, oder es sind auch schon mal die Stoßstange und der Kotflügel eines Autos in der Ecke eines Bildes zu entdecken.
Es ist ein verwirrendes Spiel mit der Wirklichkeit das Jörg Kujawa in seiner Bildern inszeniert. "Streifzüge" nennt er die Ausstellung mit aktuellen Ölbildern, die er heute Abend in der GALERIE schwarz | weiss eröffnet. Dabei lässt er offen, oder die Figuren meint, die da mit Köpfhörern auf den Ohren oder Taschen auf den Schulten durch seine Szenerien streifen, oder ob er den Besucher seiner Ausstellung auffordern möchte, Streifzüge durch seine Bilder zu unternehmen und an den sinnlichen Erfahrungen teilzuhaben, die er selbst im Entstehungsprozess der Werke erlebt
Denn Kujawa kalkuliert nicht kühl. Abgezirkelt "Hard-Edge-Paintings" mit präzisen Rändern sind nicht seine Sache. Eher impulsiv schichtet er mit breitem Pinsel die Farbe, bis er eine Art Bühnensituation für seine Protagonisten im Bild geschaffen hat. Und es stört ihn keineswegs, wenn sich eine Schliere bildet, weil er nass in nass malt, oder ein Farbspritzer entsteht. Mit seiner eigenen Person setzt er sich auseinander, wenn er einen Menschen malt, der ein Bild durchs Bild trägt: "Das hat durchaus etwas mit mir selbst zu tun", gesteht der Künstler.
Bisweilen bricht Kujawa aber auch aus seinen Straßenzügen aus. Dann sieht man Besucher des Louvre, die fasziniert einen weiblichen Rückertakt von Jean Auguste Ingres betrachten oder den Siegeszug der "Freiheit" von Eugene Delacroix. Oder er malt, ebenfalls in kleineren Formaten, Londoner Straßenzüge aus dem Stadtteil Camden Town, die fast etwas von Stadtansicht haben, weil die Verfremdung hier zurückgenommen ist.


GALERIE schwarz I weiss (Redlingerstr. 4): "Streitzuge". Malerei von Jörg Kujawa 11, Februar (Eröffnung um 20 Uhr) bis 14. März, Mo.-Fr. 10-18 Uhr. Sa. 10-14 Uhr

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