"Nächtliche Ausstellungsräume" - Thorsten Kracht
Ausstellung vom 22.12.2007 bis 31.1.2008
Motive der Ausstellung "Nächtliche Ausstellungsräume"
(zufällige Bildauswahl)
Die Arbeiten von Thorsten Kracht für den Piepenbrock Kunst Förderpreis 2007
In der Nacht werden viele Parkplätze, Brücken, Verladeplätze und Vorplätze von Firmen, Märkten und anderen Gebäuden beinahe taghell ausgeleuchtet. Nimmt man diese Räume bei Tageslicht überhaupt nicht wahr, so wird des Nachts durch die künstliche Beleuchtung die Aufmerksamkeit darauf gelenkt. Es entstehen so Licht- und Raumsituationen, die am Tag nicht wahrnehmbar sind, weil zum einen, die Aufmerksamkeit steigernde Beleuchtung nicht vorhanden ist, zum anderen diese Plätze mit einkaufenden Menschen, fahrenden und parkenden Autos oder Lastwagen belebt sind. Sind diese Plätze in der Nacht ihrer Aufgabe enthoben, wird die teilweise enorme Größe dieser Flächen dem Betrachter erst bewusst. Auch die Formensprache der Gebäudegestaltung, der Oberflächen und der Details mancher Objekte kommt erst ohne "störende" Belebtheit und durch die künstliche Ausleuchtung zum Tragen. Man könnte deshalb sagen, es entstehen "nächtliche Ausstellungsräume", die bei oberflächlicher Betrachtung in absurder Weise nichts ausstellen. Betrachtet man die Situation jedoch genauer ist gerade dieser leere Raum, der eben nur bei Nacht existiert, von Bedeutung, weil vom Tag gänzlich unterschiedliche Situationen entstehen und andere Schwerpunkte in der Wahrnehmung möglich gemacht werden.
Diese Veränderung beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, dass sich der Fokus auf bestimmte Raum- oder Lichtsituationen sowie deren Einzelheiten richtet. Es stellt sich auch ein ganz anderes Empfinden ein, wenn man sich des Nachts auf leeren Plätzen, zwischen geschlossenen Gebäuden aufhält. Registriert man tagsüber kaum, wo man sich eigentlich befindet oder welche Eigenschaften der Ort hat, so wird die Empfindlichkeit hierfür in der Nacht stark gesteigert. Durch harte Kontraste zwischen beleuchteten und unbeleuchteten Stellen und die Unbelebtheit der Plätze entsteht eine bedrückend, bedrohliche Atmosphäre. Es wird alles viel bewusster wahrgenommen als am Tage: Das Auge versucht sich an die beleuchteten Bereiche zu halten, die Pupille öffnet sich somit. Zugleich sind beschattete Bereiche schlechter zu erkennen und man empfindet ein Unbehagen, weil man nicht sofort sehen kann, was sich im Schatten befindet. Auch das Gehör ist geschärft. Leise Geräusche wie das Summen von Lüftungen und Kühlaggregaten oder entfernte Geräusche aus Gebäuden werden bei Tag nicht wahrgenommen, treten bei Nacht aber überdeutlich in Bewusstsein.
Es entsteht das Paradoxon, dass die Beleuchtung dazu beiträgt das Unwohlsein zu steigern. Eigentlich dazu gedacht, dem Menschen das nächtliche Sehen zu ermöglichen und Sicherheit zu geben, kehrt sich diese Absicht um und man fühlt sich im Kunstlicht wie auf dem "Präsentierteller". Man wird in jedem Fall gesehen, es wird einem aber gleichzeitig die Möglichkeit genommen, alle Bereiche des Ortes an dem man sich befindet einzusehen und man verliert so, zugespitzt ausgedrückt, ein Stück weit die Kontrolle über die Situation. Die Umwelt, die am Tage so vertraut ist, dass man sie kaum noch wahrnimmt, wird in der Nacht zur Angst einflößenden Umgebung.
Lebenslauf von Thorsten Kracht
- 1981: geboren in Münster
- 2001: Abitur am Gymnasium Nottuln
- 2002: Studium Lehramt Deutsch/Englisch in Münster
- 2003: Wechsel an die Universität Osnabrück Lehramt Kunst/Deutsch (Schwerpunkte sind Handzeichnung und Fotografie)
- 2009: Abschluß Studium Kunst/Deutsch (1. Staatsexamen)
Ausstellungen von Thorsten Kracht
- 2007: Tag der offenen Kunst, Universität Osnabrück
- 2007: Piepenbrock Kunst Förderpreis, Universität Osnabrück
- 2008: GALERIE schwarz | weiss, Osnabrück
- 2008: Deutsch – Niederländische Grafikmesse, Borken
- 2008: Café 8 1/2, Osnabrück
- 2009: Foyer der Mensa am Schloß, Universität Osnabrück
Auszeichnungen von Thorsten Kracht
- 2007: Preisträger des Piepenbrock Kunst Förderpreis 2007 (für herausragende Studienleistungen auf dem Gebiet der Kunst)
Nachts blühen - Fotografie 2009 von Thorsten Kracht
(zufällige Bildauswahl)
Der Reiz der Nacht
Thorsten Kracht über seine Kunst
Die Beschäftigung mit Photographie bei Nacht reizt mich deshalb besonders, weil sie der ursprünglichen Idee von Photographie eigentlich direkt entgegen gesetzt ist. Nahm man zum Zeitpunkt der Entdeckung der Photographie zu Beginn des 19. Jahrhunderts doch noch an, dass die Photographie ein Produkt des "Zeichenstiftes der Natur" sei. Die ausführende Kraft hinter der photographischen Abbildung sei demnach nur das natürliche Licht. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Vorstellung des Menschen als Einfluss nehmende Instanz im photographischen Prozess und von Nadar wurde auch bewiesen, dass auch unter zu Hilfenahme einer künstlichen Lichtquelle Photographie möglich ist.
Damit wird die Photographie bei Nacht gewissermaßen zu einem zwar auf Naturgesetzen beruhendem, aber sonst rein technischem Prozess. Interessant wird es nun, wenn man dessen besondere Eigenschaften für die künstlerische Arbeit gebraucht und versucht, die ästhetischen Grenzen dieses neuen Mediums auszuloten. In der Nacht entstehen in Bezug auf Raum, Licht und Farbe vom Tag gänzlich unterschiedliche Verhältnisse: Eine Art Parallelwelt, die nur bei Nacht zu sehen ist.