Zerstörungskunst in der GALERIE schwarz | weiss

Moritz Neuhoff ramponiert die Aura des eigenen Werks

Von Tom Bullmann Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 8.5.20112

Als hätte sich jemand mit einer Axt zu schaffen gemacht: Das Porträt ist nur noch zu einem Bruchteil zu sehen, weil ein Loch in der Pressspanplatte klafft. Ein Auge lugt hindurch. Es entsteht Dreidimensionalität, die allerdings nicht primär im Fokus des Künstlers Moritz Neuhoff steht. Vielmehr sind es Zerstörung und Rekonstruktion. Bewusst verwüstet er die Aura des Kunstwerks, spielt mit dessen Unantastbarkeit, der bisweilen sakralen Attitüde.

 

Keine Spur von Ehrerbietung gegenüber der Kunst in der GALERIE schwarz | weiss, in der Neuhoff seine Ausstellung "Top Down – Bottom Up" zeigt. Der Begriff steht in der Softwareherstellung, in der Verkaufs- oder auch der Wahrnehmungspsychologie für einen Prozess, der in verschiedene Richtungen aktiviert wird. So arbeitet der Osnabrücker mit Plakattafeln, die er mit Papier, Farbe und Sprühdosen behandelt, bis das Mosaik eines menschlichen Porträts entsteht, das vom Schaffensprozess gezeichnet ist. In einer Ecke der Galerie findet man eine Mini-Projektion, in der ein Mann sein Gesicht mit Ton nachmodelliert und es anschließend zerstört. Unter dem Namen Momo betätigt Neuhoff sich auch als Street-Art-Künstler, seit Jahren ist er Mitglied der Kunstgruppe Nartur, die sich der künstlerischen Okkupation leer stehender Gebäude und Räume widmet. In der GALERIE schwarz | weiss präsentiert er zum Beispiel Fotos, die er bearbeitet, übermalt und wieder abfotografiert, bis abstruse Wesen entstehen, die in unserer Gesellschaft, in der nur Schönheit und Reichtum zählen, zu Außenseitern abgestempelt sind. Immer wieder zückt er die Sprühdose, denn er ist überzeugt, dass die nicht mehr aus der Kunst wegzudenken sein wird. Trotzdem malt er (noch) in Öl: deformierte Gestalten im Pelzmantel oder Fleischanzug, die sich "einem ästhetischen Diktat" verweigern, wie Momo es ausdrückt.

 

GALERIE schwarz | weiss (Seminarstr. 35): "Top Down – Bottom Up". Bis 24. Juni, Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–14 Uhr, Infos unter www.galerie-schwarz-weiss.de

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